Jack Klugman in Deutschland 2009 - Das Interview

 

 

 

Anlässlich des Besuches in der Show "25 Jahre RTL" vom 10. Januar 2009 hat Jack Klugman dem Kölner Stadtanzeiger ein Interview gegeben.

 

 

 

 

 

 

 

Bild mit freundlicher Genehmigung von RTL Television GmbH


Theater gegen das Alleinsein

Interview mit dem Schauspieler Jack Klugman alias „Quincy“, den RTL zum 25. Geburtstag nach Köln einlud. Er bekommt immer noch die meiste Fanpost aus Deutschland. Die Bühne und die Theaterwelt hätten ihm das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Klugman, draußen ist es frostig. Was machen Sie und Ihre Frau an Ihrem einzigen Tag in Köln?

JACK KLUGMAN: Wir machen die Bustour, hopp-on-hopp-off, schauen uns die Highlights an.

Hat RTL keine spezielle Tour für Sie arrangiert?

KLUGMAN: Nein, wir möchten das auch nicht. Wir wollen ganz normal unterwegs sein und tun, was wir wollen.

Sie sind 86 Jahre alt, haben den Krebs besiegt. Warum kommen Sie für einen Fünf-Minuten-Auftritt nach Deutschland in eine Show, in der anschließend 64 Büstenhalter in Rekordzeit geöffnet werden? Warum tun Sie sich das noch an?

KLUGMAN: Deutschland war immer sehr gut zu mir. Ich bin hier viele Jahre auf dem Bildschirm gewesen. Ich bekomme die meiste Fanpost immer noch aus Deutschland. Es ist eine Gelegenheit, einmal Danke zu sagen.

Kannten Sie RTL, bevor der Sender Sie zur Geburtstagsfeier einlud?

KLUGMAN: Nein.

Welche andere Beziehung haben Sie zu Deutschland?

KLUGMAN: Mein Eltern lernten sich hier kennen, bevor Sie in die Staaten auswanderten. Meine Mutter hatte Verwandte hier. Beide kamen ursprunglich aus Russland.

Sie wissen, was Ihr Name bedeutet?

KLUGMANN: Natürlich. Kluger Mann.

Außer den Jahren, in denen Sie mit dem Krebs kämpften, gab es kaum ein Jahr, in dem Sie kein Bühnen-, Fernseh- oder Film-Engagement hatten. Waren Sie auch ein kluger Geschäftsmann?

KLUGMAN: Nein, das war ich nicht. Ich wollte immer nur so viel Geld verdienen, dass es mir keiner wegnehmen kann. Ich habe es in steuerfreie Bonds investiert. Aber als ich durch den Kehlkopfkrebs meine Stimme verloren hatte, war es Tony Randal, der zu mir kam, und sagte: Wenn du bereit bist, finden wir ein Engagement für dich. Er hat mich wieder auf die Bühne gebracht.

Sie haben NBC gerichtlich gezwungen, Ihnen Einblick in Ihren „Quincy“-Vertrag zu geben. Sie wollen Geld. Wie geht es weiter?

KLUGMAN: Ich weiß noch nicht genau. Ich habe nächste Woche einen Termin mit meinem Anwalt.

„Quincy“ und „Männerwirtschaft“ gibt es bald auf DVD und im Internet. Dann wird wieder viel Geld damit verdient. Bekommen Sie Ihren fairen Anteil?

KLUGMAN: Ich hatte ja nie eine Vorstellung davon, wieviel da im Topf ist. Ich hatte keine Idee, wie viel Geld mit meinen Serien tatsächlich gemacht wurde. Mit Quincy haben sie rund 250 Millionen Dollar gemacht. Ich halte 23 Prozent der Anteile an der Produktion, habe aber nie einen Cent gesehen.

Im letzten Jahr streikten Hollywood-Autoren. Haben Sie den Streik unterstützt?

KLUGMAN: Natürlich. Aber er hat doch nicht das gebracht, was uns zusteht. Unsere Gewerkschaft war nicht wirklich auf unserer, denn auf der anderen Seite.

Wie haben Sie es geschafft - außer, dass Sie ein populärer und herausragender Schauspieler sind - über fünf Jahrzehnte im Geschäft zu bleiben?

KLUGMAN: Anfangs hatte ich keinen Agenten. In den 50ern gehörte ich zu den TV-Pionieren. Ich bekam 60 Dollar für einen Auftritt mit fünf Sätzen. Dann kam die Gewerkschaft und es gab 125 Dollar für mehr als zehn Sätze. Ich habe nicht über die Gage oder über Ruhm nachgedacht. Ich wollte immer nur arbeiten und es so gut als irgendmöglich machen.

Sie kommen aus armen Verhältnissen. Armut kann eine Lehre fürs Leben sein, haben Sie mal gesagt. Was hat es Sie gelehrt?

KLUGMAN: Loyalität. Ich bin in einem Viertel aufgewachsen, in dem die Leute - die meisten waren Italiener - zusammengehalten haben. Es gab Kameradschaft. Das Schlimmste, was du sein kannst, ist ein Denunziant. Man hat mich auch während der McCarthy-Zeit verhört. Ich kannte einige Leute, die Kommunisten waren. Aber ich habe niemanden verraten. Der Zusammenhalt hat mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben.

In den frühen Tagen haben Sie sich in New York mit Charles Bronson eine Bude geteilt. Wie war das?

KLUGMAN: Das waren gute Tage. Charly hat meine Bücher als Gewichte benutzt. Ich sagte, Charly, Bücher sind nicht zum Bodybuilding, man liest sie. Und ich habe ihn zum Lesen gebracht. Er war immer sehr stolz darauf, ein Selfmademan zu sein. Und er hat gesagt, Jack, lass uns zusammen trainieren. Ich sagte, Charly, ich brauche keine Muskeln. Aber er wurde zu meinem Trainer und er sorgte für mein erstes Engagement in „Mister Roberts“, wo ich sechs Wochen lang mit Henry Fonda auf der Bühne stand. Besser konnte man nicht einsteigen. Ich war also sehr glücklich. Bronson war sehr akkurat. Ich habe seine weißen Hemden gewaschen und er hat sie gebügelt. Er hat sehr akkurat gebügelt. Und platzten seine Muskeln beim Bügeln. Als er zu meinem 57. Geburtstag kam und eine wundervolle Flasche Dom Pérignon mitbrachte, sagte ich zu ihm: Wir sind einen langen Weg gegangen. Und er sagte: Ich will nicht über die Vergangenheit reden, vielleicht später einmal. Ein paar Jahre später wurde er krank und starb einen schweren Tod. Tja ... ich weiß auch nicht. Wie sagte Bette Davies: Alt werden ist nichts für Waschlappen. Naja, ich muss diesen Stock hier benutzen, aber nach der Operation wird das Problem hoffentlich weg sein.

Henry Fonda hat Ihnen eingeschärft, immer aufrichtig, wahrhaftig zu sein. Bei RTL haben Sie gesagt, „Ich war als Quincy immer aufrichtig.“ Was heißt das?

KLUGMAN: Ich habe in der Serie immer dafür gesorgt, dass das wir Zeit hatten, das zu spielen, was zu spielen war, akkurat und wahrhaftig. Das Leben endet nicht, als würde jemand einen Schalter umlegen. Manchmal braucht es eben 30 Minuten, bis jemand stirbt. Dann muss man dem Tod eben auch diese Zeit geben. Ich habe sogar einen Producer rausgeschmissen, der immer nur auf die Quoten geguckt hat.

Eigentlich mögen Sie Fernsehen nicht, jedenfalls das oberflächliche. Sie mögen auch Film nicht. Sie lieben die Bühne. Warum haben Sie nicht immer das gemacht, was Sie am meisten liebten?

KLUGMAN: Das habe ich. Ich habe selbst zwischen den Drehs für „Quincy“ oder „Männerwirtschaft“ immer wieder und wochenlang auf der Bühne gestanden.

Welche Jahre waren die wichtigsten für Sie?

KLUGMAN: Die ersten zehn Jahre, sicher die Zeit mit Henry Fonda. Wir standen gemeinsam auf der Broadway-Bühne, und Fonda war so brillant, dass mir die Tränen liefen vor Glück. Er musste mich da aus der Situation retten und machte es grandios. Und er kam anschließend zu mir und sagte das: Bleibe immer wahrhaftig. Ja, dass habe ich mir damals geschworen. Und ich wusste: Ich will so sein wie er. Und er hat mich zu den „Zwölf Geschworenen“ gebracht - und niemals darüber ein Wort verloren. Und er hat mich vor Hollywood gewarnt. Bleibe nicht hier, geh zurück auf den Broadway.

Heute wollen heute nur noch das tun, was Sie als Vermächtnis hinterlassen möchten. Ihre Filmografie ist 20 Seiten stark. Sie hinterlassen längst ein Vermächtnis.

KLUGMAN: Ich will etwas machen, dass nur ich machen kann. Ich will „Tod eines Handlungsreisen“ inszenieren, so wie nur ich es inszenieren kann. Ich will es für mich machen, als das Beste, was ich je gemacht habe.

Nach so vielen Produktionen denken Sie immer noch daran, etwas Besseres abzuliefern. Haben Sie Ihr Bestes noch nicht gegeben?

KLUGMAN. Nein.

Was ist mit all Ihren Serien, Filmen, wie betrachten Sie heute Ihre Arbeit?

KLUGMAN: Ich habe das Beste gegeben, was ich damals geben konnte. In „Quincy“ habe ich jede Textzeile redigiert bis es akkurat war. Aber als das vorbei war, wollte ich das Nächste machen, und zwar noch besser. In sechs Monaten will ich sechs Monate besser sein, verstehen Sie . . . Ich liebe das Leben.

Sind Sie sind ungeduldig mit sich selbst.

KLUGMAN: Ja. Das sagt meine Frau auch.

Ist das Ihr Antrieb, Ungeduld mit sich selbst?

KLUGMAN: Ja, so ist es.

Haben Sie sich auf der Bühne besser gefühlt als im wirklichen Leben?

KLUGMAN: Ja, die Bühne und die Theaterwelt haben mir immer das Gefühl gegeben, irgendwo dazuzugehören, nicht allein zu sein.

Jetzt sind Sie der letzte lebende Schauspieler aus den „Zwölf Geschworenen“. Es gibt nicht mehr viele aus Ihrer Schauspieler-Generation. Wie kommen Sie damit zurecht?

KLUGMAN: Es ist schrecklich. Ich sehe mir ab und an Filme mit Brando, Fonda, Clark Gable an und denke, mein Gott, was für wunderbare Schauspieler. Sie kamen alle von der Bühne. Das ist vorbei. Das gibt es kaum mehr.

Als junger Mann haben Sie zu sich selbst gesagt: Wow, ich stehe zusammen mit Henry Fonda auf der Bühne. Gibt es einen jungen Schauspieler, junge Schauspielerin, bei der Sie heute rufen würden, „Wow, ich stehe zusammen mit ihm auf der Bühne, vor der Kamera?“

KLUGMAN: Nein. Sie machen zu viel Filme heute. Filme lehrt sie war, Ihren Text zu memorieren, aber er lehrt Sie nichts über Schauspielerei. Im Theater proben und proben und proben Sie, man experimentiert, probiert, man . . All das geht heute vor der Kamera nicht mehr. Zeit ist Geld. Und wenn's ums Geld geht, verflüchtigt sich die Kunst. Als ich in den 50er Jahren mit Fernsehen begann hatten wir noch Zeit zum Proben. Heute ist das vorbei.

Sind Sie gläubig?

KLUGMAN: Nein, ich bin nicht religiös. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei.

Sie haben mal gesagt, Angst kann sehr förderlich sein. Waren Sie je von Angst beherrscht?

KLUGMAN: Als ich jung war, hatte Angst vor meinen Schulden, dann mitunter auch Angst vor dem Tod. Heute fürchte ich nichts mehr, auch nicht den Tod. 

(Quelle: Kölner StadtAnzeiger)